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Markus Lanz: „Mein Job ist ein Geschenk“

Markus Lanz: „Mein Job ist ein Geschenk“

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Markus Lanz Credit: © ZDF / Juliane Werner
Er will’s wissen: Markus Lanz gilt als einer der wichtigsten TV-Journalisten des Landes. Was macht ihn so erfolgreich? Wir begleiten ihn exklusiv hinter den Kulissen.

Die dunkle Lederjacke liegt auf dem Sofa, das schwarze iPhone auf dem Tisch vor Markus Lanz. Auf seinem Schoß ein Laptop. Konzentriert tippt der 53-Jährige auf der Tastatur. Es ist nachmittags, es ist die letzte Redaktionskonferenz vor der Sendung. Während er gebannt auf den Computerbildschirm starrt, stellt eine Redakteurin ihr Exposé über einen Talkgast vor. Mit einem Mal blickt der Moderator hoch, hakt nach, ist noch nicht ganz zufrieden. Typisch Lanz. Zu einem Punkt wünscht er sich bis zur Sendung detailliertere Zahlen. Zeit läuft. Fürs Team, für ihn.

Auf der Überholspur zum Erfolg

Trotz der Hektik und des ganzen Studiotrubels konnten wir Markus Lanz einen Tag lang exklusiv begleiten. Wie tickt er? Was sind seine Tricks? Was hat ihn in den vergangenen Jahren so erfolgreich gemacht, zum wichtigsten TV-Journalisten Deutschlands werden lassen? Mit ihm haben nur wenige gerechnet. Viel Kritik musste der gebürtige Südtiroler aushalten, nicht nur für seinen missglückten Ausflug zu „Wetten, dass ..?“, anfangs auch für seine Talkshow. Zu seicht, hieß es in TV-Kritiken, er lasse Gäste nie ausreden.

Dann kam die Coronapandemie. Alle suchten nach Orientierung – und die Zuschauer von „Markus Lanz“ hatten plötzlich das Gefühl, in jeder Sendung einen Kompass für den veränderten Alltag in die Hand zu bekommen. „Hast du gestern ,Markus Lanz‘ gesehen?“, hörte man plötzlich immer häufiger. Während sich die Gäste bei Maischberger, Illner, Will und Plasberg noch wild durcheinander stritten, fand bei „Markus Lanz“ ein Gespräch statt. „Eigentlich haben wir auch zu Beginn der Coronazeit das gemacht, was wir immer machen: Wir haben tagesaktuell reagiert“, erklärt der Moderator. Er und sein 25-köpfiges Team wollten selbst verstehen, was da gerade passiert. Das war sein Antrieb.

Markus Lanz‘ Ehefrau Angela stellen wir Ihnen hier vor!

Redaktionsleiter Markus Heidemanns ergänzt: „Bei jedem neuen Thema fangen wir an wie eine gute Volkshochschule. Wir nehmen die Leute von null an mit und erklären ihnen die Dinge. Und wenn ich bei der Sendung dabeibleibe, ist das ein Lerneffekt.“ Heidemanns und Lanz sind seit 14 Jahren ein eingespieltes Team. Dienstags und mittwochs treffen sie sich für die Aufzeichnung von insgesamt drei Sendungen in einem modernen, glasverschalten Bürohaus auf dem Gelände des Hamburger Phoenixhofs, einst ein Eisenwerk. Hier mitten in Altona liegen die Redaktionsräume, ein Gebäude weiter im Hof befindet sich das Studio. Wenige Minuten nachdem Lanz seinen Elektro-SUV geparkt hat, sitzt er im großen Konferenzraum. Die Redaktion am Tisch, er auf einem Sofa etwas abseits, weil er direkt mit dem Schreiben seiner Moderationen beginnt. Den Fragenkatalog, der später auf den Moderationskarten stehen wird, erstellt sein Team. „Für mich ist das ein Gerüst, oft geht das Gespräch in eine ganz andere Richtung“, erklärt Lanz. In der Konferenz stellen Redakteure Exposés zu den vier Studiogästen vor, mal sind es fünf Seiten, mal 18, voller Fakten, Zahlen, Erklärungen, Interviewpassagen aus Vorgesprächen. Lanz erhält sie schon am Wochenende vor der Aufzeichnung per E-Mail, jetzt hat er alle Infos parat. Drei Gäste stehen zwei Wochen vorher fest, ein weiterer wird erst am Tag zuvor eingeladen.

Markus Lanz: „Ich lese ziemlich viel“

Wer Lanz in der Konferenz erlebt, spürt: Das Wissen, das er abgespeichert hat, ist phänomenal. „Ich lese ziemlich viel, mache mir häufig Notizen von Dingen, die mich interessieren. Häufig auch nachts. Gestern etwa konnte ich nicht schlafen und habe gelesen, bis mir die Augen zufielen. Alles querbeet: ,Süddeutsche‘, ,taz‘, ,Welt‘, ,NZZ‘, ,Spiegel‘, ,Bild‘, ,FAZ‘“, sagt er und zeigt auf sein Handy, seine „Schatzkiste“ der Fakten. Außerdem kontaktiert er Journalisten, um Zusammenhänge zu verstehen: „Ich möchte wissen, warum bestimmte Entscheidungen wirklich gefallen sind. Wenn es Dinge gibt, die nicht plausibel sind, dann frage ich mich: ,Was ist da eigentlich passiert?‘“

In diesen Fällen wählt er die Nummer von „Welt“-Vizechef Robin Alexander, auch mal die der Kollegen von „Spiegel“ oder „Zeit“. Das ist ein wichtiger Schlüssel zu seinem Erfolg. „Man muss schon versuchen, wirklich im Stoff zu sein, keine Fehler zu machen. Jemand wie Sigmar Gabriel riecht es sofort, wenn man wackelt. Und Söder riecht es schon 30 Sekunden vorher. Das klingt wie Boxkampf, aber am Ende ist es tatsächlich Handwerk. Und im Kern einfach nur Neugier.“ Die treibt ihn an. Und sein extrem gutes Team, das alles vorbereitet. Die Themen, die Gäste, das Gerüst der Sendung. In dieser Ausgabe soll es um die Energiekrise und den Ukrainekonflikt gehen. Am Ende der Konferenz werden die Einspieler gezeigt. Lanz fragt nach den Quellen. Nebenbei isst er Cherrytomaten und Gurken.

Wie in einem stillschweigenden Abkommen verlassen auf einmal die Mitarbeiter den Raum. Von Lampenfieber keine Spur. Lanz bleibt auf dem Sofa, setzt seine Lesebrille auf. Für etwa 30 Minuten wird er allein sein, um den Rest der Moderationen zu schreiben. Der letzte Moment der Ruhe vor der Sendung. Die Tür schließt sich. Nach einer halben Stunde fliegt sie wieder auf, und Lanz eilt zum Studio, schnellen Schritts. Das funktioniert inzwischen wieder, sein Knie hat sich nach einem Skiunfall mit gerissenem Kreuzband und anschließender OP erholt. „Ich war schon joggen“, sagt er. Man sieht ihm an, dass er fit und sehr diszipliniert ist. Wer ihn kennt, spürt eine Veränderung: Trotz des wöchentlichen Drucks und der Präsenz in der Öffentlichkeit ist Markus Lanz entspannter geworden. Eine Leichtigkeit, die der Erfolg mit sich bringen mag – und die Routine. Fröhlich steuert er seine Garderobe an, tauscht Jeans und T-Shirt gegen Anzug, Sneaker gegen Lederstiefeletten. Alles liegt bereit. Während er seine Krawatte vor dem Spiegel bindet, treffen die Gäste ein. Ihnen möchte er aber frühestens auf dem Weg ins Studio begegnen. „Ich will vorher nicht lange mit ihnen sprechen, sonst ist man leergequatscht. Ich will nicht den Eindruck erwecken, wir seien dicke Kumpels – und danach kommen unangenehme Fragen. Das fühlt sich nicht gut an.“ Kurz die Krawatte vor dem Spiegel zurechtgerückt, dann nimmt er auf dem Stuhl der Maskenbildnerin Platz, trinkt einen Schluck Cola light, geht noch einmal die Moderationskarten durch.

Markus Lanz in Bildern

Im Raum Gespräche und Gewusel. „Je hektischer alles um mich herum wird, desto ruhiger werde ich“, sagt Lanz. Schließlich geht’s zum Studio, das Mikro wird installiert, die Gäste begrüßt. Lanz stellt sich an den Rand, geht seine Moderation durch, dann ruft er: „Ich bin klar.“ Während der Sendung hat er einen Knopf im Ohr, über den Markus Heidemanns alle paar Minuten aus der Regie Stichworte gibt, etwa: „Passende Frage auf Seite 8 der Moderationskarten.“ Nach der Aufzeichnung bleibt Lanz oft Stunden mit den Gästen in seiner Garderobe. Sie diskutieren weiter. „Wir haben gute Leute in der ersten Reihe der Politik, die unglaublich hart arbeiten. Und die es einem nicht übel nehmen, wenn man sie härter befragt. Bis auf ein, zwei Ausnahmen habe ich nie erlebt, dass jemand darum gebeten hat, einen unvorteilhaften Moment aus der Sendung zu schneiden. Das nötigt mir Respekt ab.“ Und: „Ich empfinde meinen Job nie als Arbeit. Eigentlich ist es bezahlte Selbstverwirklichung, den Leuten etwas zu erklären, ein Geschenk.“

Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bietet Markus Lanz in seiner Talkshow um 23 Uhr im ZDF eine große Bandbreite an Gästen und Themen.

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