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Eckart von Hirschhausen: So ist ein Leben mit Long Covid

Eckart von Hirschhausen: So ist ein Leben mit Long Covid

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Nach einer Corona-Infektion lässt Eckart von Hirschhause mit Hilfe der HELP-Apherese sein Blut filtern. Credit: © WDR/Bilderfest
In einer Dokumentation im Ersten zeigt Eckart von Hirschhausen, wie Patienten mit Long Covid allein gelassen werden und was sich ändern muss.

Diese Zahl hätte viele von uns im März 2020 noch schockiert: Über 32 Millionen Menschen in Deutschland haben sich seit dem Beginn der Coronapandemie mit dem Virus infiziert. Die meisten von ihnen sind wieder genesen, aber nicht alle sind gesund. Experten gehen davon aus, dass jeder Zehnte an Long Covid leidet. Der Moderator Dr. Eckart von Hirschhausen rückt das wichtige Thema in seiner neuen TV-Dokumentation „Hirschhausen und Long Covid: Die Pandemie der Unbehandelten“ (verfügbar in der ARD-Mediathek) in den Fokus und zeigt, dass viele Ärzte noch immer ratlos sind.

Dr. Eckart von Hirschhausen im Interview

Im Gespräch erklärt er, was dringend passieren muss, um Betroffenen zu helfen und das Gesundheitssystem vor einem neuen Kollaps zu bewahren. „Ich bin im März an Corona erkrankt“, sagt Dr. Eckart von Hirschhausen. „Ich wusste, auch ein milder Verlauf kann Folgen haben, und hatte schlimme Langzeitschäden vor Augen. Nach zwei Wochen war ich wiederhergestellt. Ich habe mich aber in der akuten Phase von einer Long- Covid-erfahrenen Ärztin beraten lassen und Medikamente genommen, etwa gegen die Entzündung und Blutgerinnungsstörung. Leider gibt es dazu bis heute keine Studien, obwohl wir doch dringend wissen wollen, was neben der Impfung vor Langzeitschäden schützt.“

Die Bildergalerie zu „Hirschhausen und Long Covid: Die Pandemie der Unbehandelten“

Warten auf Hilfe

Eckart von Hirschhausen besucht in der Dokumentation Patienten, die darunter leiden, dass die Kraft ihren Körper verlassen hat: Schon nach geringer Belastung sind sie extrem erschöpft, können sich kaum Dinge merken, haben große Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. In manchen Fällen ist das Nervensystem so stark angegriffen, dass selbst das Aufrichten im Bett zur Qual wird. Es ist eine Krankheit mit bis zu 200 möglichen Symptomen.

„Während der Dreharbeiten hat mich die Hausärztin Anna Brock besonders beeindruckt, die selbst an Long Covid erkrankt ist“, so Dr. Eckart von Hirschhausen. Um wieder auf die Beine zu kommen, hat die Medizinerin verschiedene Therapien an sich ausprobiert: Sie hat ihr Gerinnungssystem mit Medikamenten wieder ins Gleichgewicht gebracht, ihre Antikörper aus dem Blut gewaschen und eine Sauerstoffüberdrucktherapie unternommen – durch den erhöhten Sauerstoffgehalt im Blut soll der Stoffwechsel in schlecht durchbluteten Geweben beschleunigt werden. Sie ist den experimentellen Weg gegangen, um endlich aus der Krankheitsfalle zu entkommen. „Sonst wäre ich noch da, wo ich im Dezember war: Damals war ich bettlägerig“, sagt die Medizinerin.

Frauen mittleren Alters wie Dr. Anna Brock tragen laut Experten ein höheres Risiko, an Long Covid zu erkranken. Warum? Das weiß man noch nicht. Es ist unklar – wie so vieles andere auf diesem Gebiet. „Seit drei Jahren ist Pandemie. Und es wurde wahnsinnig viel wertvolle Zeit vergeudet, weil man nicht sofort angefangen hat, systematisch zu untersuchen, was wirklich hilft“, sagt Dr. Eckart von Hirschhausen. „Mich schockiert die Ignoranz von manchen Medizinern, die das Ganze immer noch als ‚Psychoproblem‘ abtun. Das ist wissenschaftlich falsch, verhindert den Zugang zu wichtigen Therapien und ist eine Ohrfeige für jeden, der darunter leidet. Jeden Tag kommen neue Betroffene mit Long Covid dazu. Wir müssen sofort relevante Budgets für die Forschung und Behandlung investieren.“

Mit seiner Dokumentation möchte Eckart von Hirschhausen Betroffenen Mut machen, aber auch Mediziner und Ministerien aufrütteln, das Thema ernst zu nehmen. Eine Ärztin, die dies tut, ist Dr. Beate Jäger aus Mülheim. Ihr Name hat sich herumgesprochen: Inzwischen reisen Patienten aus ganz Europa an, 8000 stehen auf der Warteliste. Sie behandelt mit Medikamenten sowie in schweren Fällen mit Blutwäsche und versucht so, das gestörte Gerinnungssystem wieder ins Lot zu bringen. Wie geht es weiter? „Es ist das größte gesundheitspolitische Thema, das wir vor uns haben“, sagt Dr. Jäger. „Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ich gehe davon aus, dass Patienten, die lange unter Long Covid leiden, irgendwann in einen Zustand gehen, der irreversibel sein wird.“ Eine internationale Studie, die die Wirksamkeit der Blutwäsche untermauern soll, finanziert sie selbst. Eckart von Hirschhausen ist nach seiner Recherche entsetzt: „Wir verwalten den Notstand, statt zu behandeln. Wir sind eines der reichsten Länder der Erde. Warum sind wir derartig hinterher?“