Im exklusiven Interview mit GOLDENE KAMERA verrät Christian Kohlund (72), wie sich seine Paraderolle, der Anwalt Thomas Borchert, in den zwei neuen Folgen des „Zürich-Krimis“ erstaunlich weiterentwickelt.
„Borchert und das Geheimnis des Mandanten“ läuft am Donnerstag, 15. September, 20.15 Uhr im Ersten, „Borchert und die dunklen Schatten“ eine Woche später am 22. September.
Außerdem verrät der 72-Jährige, warum er keinen Ehering trägt, was seine Familie mit der Fotografie verbindet, warum er glaubt, die Politik habe versagt und womit er seine dritte Ehefrau Elke Best nach vierzig Jahren Ehe immer noch in den Wahnsinn treibt.
Christian Kohlund im Interview
GOLDENE KAMERA: Von wo rufen Sie mich an?
Christian Kohlund: Aus meinem Zuhause im Bayerischen Wald. Ich komme gerade von einem Spaziergang mit meinem Hund zurück.
Ich dachte, Sie wollten nach dem Tod Ihres Hundes Eddy kein neues Tier mehr…?
Wie heißt es so schön: Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos. Chenga ist ein russischer Hirtenhund, den die Tierschützer bei der Fußballmeisterschaft in Moskau aufgelesen haben.
Die Bildergalerie zu „Der Zürich-Krimi: Borchert und das Geheimnis des Mandanten“
In der neuen Folge flirtet Borchert. Nimmt er nach dem Tod seiner Familie endlich wieder mehr am Leben teil?
Nein, das würde ich nicht sagen. Er ist ein einsamer Wolf, das wird auch so bleiben. Es ist eine sehr interessante und deutlich jüngere Frau, die ihm gefällt. Es fasziniert ihn, dass sie ein Geheimnis mit sich trägt. Nachdem er viele Jahre vertan hat, möchte er nun wieder zurück zu seinen alten Idealen, die er als junger Anwalt verfolgt hat. Das hilft ihm bei seiner Einsamkeit.
Wünschen Sie Borchert auch solch eine glückliche Ehe wie Sie sie privat haben?
Ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Der Mann wird einsam bleiben. Das ist irgendwie auch sehr schön und hilft den Menschen am Bildschirm mitzuleiden.
Die Dame seines Herzens hat Vorurteile gegen Anwälte. Sie auch?
Nun, die Frage ist: Geht es um das Gesetzbuch oder um Gerechtigkeit? Borchert geht es um Gerechtigkeit. Das war aber über viele Jahre nicht so. Er hat im allerletzten Graubereich Geschäfte gemacht und bei seinen Verteidigungen noch irgendwo Recht gefunden, obwohl er wusste, dass es falsch war. Mit einer Armee von Anwälten kann man scheinbar noch immer Unschuld durchsetzen.
In einer Szene, in der ein Kinderschänder befragt wird, rastet Hauptmann Furrer verständlicherweise aus, während Borchert ruhig bleibt. Wie schafft er das?
Das hat auch etwas mit seinem Alter zu tun. Er hat unendlich viel erlebt. Er weiß, dass man bei seinem Gegenüber nichts erreicht, wenn man die Fasson verliert. Ein solch kranker Mensch macht ihn eher traurig und fassungslos.
Agieren Sie auch immer so besonnen?
Ich versuche es, aber es gelingt mir nicht immer (lacht).
Was verbindet Sie noch mit der Rolle?
Was ich an Borchert so mag ist, dass er mir die Möglichkeit gibt, authentisch zu sein. Ich kann viel von mir einbringen: die Einstellung zum Leben oder zum Fall. Er hat schon viel mit mir zu tun. Ich mag es, wie er in seinem Amt mit Krawatte, Mantel und tollen Schuhen auftritt und trotzdem uneitel ist.
Aber Sie sind doch mit Lederjacke und Ohrring viel moderner als er…?
Nein, ich trage auch wahnsinnig gerne diese Borsalino-Hüte. Zur Verzweiflung meiner Frau sammele ich ohne Ende Hüte. Der Ohrring ist eigentlich unser Ehering. Es ist unser Ding Ohrringe, statt Ringe zu tragen.
Sie treiben Ihre Frau also mit Hüten in den Wahnsinn. Womit noch?
(lacht) Wir können zwar wunderbar streiten, aber eigentlich treiben wir uns nicht in den Wahnsinn. Trotzdem hat sie natürlich was gegen mich in der Hand, wenn irgendwo wieder drei Hüte rumliegen.
In den beiden neuen Folgen steht die Fotografie im Mittelpunkt. Sie fotografieren auch leidenschaftlich gern und haben in der Heimat ihrer Frau, in Ratingen, ein Galerie-Café betrieben. Ein Zufall?
Das hat sich so ergeben. Im Film wäre Borcherts Vater 100 Jahre alt geworden und er stößt auf alte Fotos von sich und ihm.
Sind diese Fotos echt?
Zu sehen sind zwar jüngere Bilder von mir, aber meinen Vater wollte ich nicht im Fernsehen verkaufen. Als ich gefragt wurde, habe ich das strikt abgelehnt. Wenn jemand ein Foto von mir und meinen Eltern oder meiner Schwester zeigt, ist es eine andere Sache, aber das in einem Film einzubringen, ist nichts für mich, zumal der Vater im Film ein Monster war. Borchert wollte eigentlich was ganz anderes machen, aber dieser Patriarch hat das verhindert. Deshalb ist er so früh von zu Hause weg. Jetzt versucht er sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen. Das finde ich schön. Zu meinem Vater hatte ich, im Gegensatz zu ihm, glücklicherweise ein sehr gutes Verhältnis.
War die Fotografie schon immer ein Thema in Ihrer Familie?
Absolut, mein Großvater war Theaterdirektor. Er hat mit einer dieser ersten Rolex-Kameras gefilmt. Mein Vater war Maler. In früheren Jahren hatte ich am Set meine Kamera stets dabei und habe von Gary Oldman über Christopher Walken bis Mario Adorf all meine Kollegen fotografiert. Mit diesen Bildern konnten sie dann arbeiten. Inzwischen macht jeder Selfies. Seitdem verzichte ich darauf. Aber Fotografie ist etwas, was mich immer fasziniert hat. Leider hat sie in Deutschland nicht denselben Stellenwert wie in anderen Ländern. In unserem Galerie-Café haben die Gäste die Einmaligkeit der Bilder oft nicht erkannt.
Woran liegt das und was hat die Fotografie für einen Stellenwert?
Inzwischen werden wir mit Filmen zugeschüttet. Diese sind vergänglich. Doch zum Beispiel im Ukraine-Krieg sind es die Momentaufnahmen von Kindern und Frauen, die viel mehr erzählen und sich im Gehirn einbrennen.
Was denken Sie über den Krieg?
Wir haben extrem schwierige Zeiten. Dieser schwachsinnige Krieg und seine Konsequenzen, die Pandemie, die Umweltkatastrophen. Ich bin sauer auf die Politiker und die Versäumnisse der Menschen in den letzten 30 Jahren. Die fallen nun auf uns herab. Ich bin nur froh, dass mein fünfjähriger Enkel davon noch nichts mitbekommt. Meine Tochter macht das sehr gut mit ihm.
Wie wird es mit dem „Zürich-Krimi“ weitergehen?
Wir haben im Sommer einen weiteren Fall unter extrem schwierigen Bedingungen beendet. Am ersten Tag am Set bekam der Kameramann Corona, eine Woche später ich, dann der Suso (Regisseur Roland Suso Richter, Anm. d. Red.), dann die Paule (Ina Paule Klink). Ich war sehr dankbar, dass ich drei Impfungen vorher hatte und es bei mir glimpflich abgelaufen ist. Ich will nicht wissen, wie es ansonsten gewesen wäre. Ab Oktober drehen wir noch eine Folge und im nächsten Jahr stehen wir für drei weitere Fälle vor der Kamera.
Also kein Ende in Sicht?
Solange der Sender es will, mache ich gern weiter. Es sei denn, es geht mir nicht mehr gut. Dann werde ich den Finger heben. Aber bisher zwickt nur der Rücken und ich muss morgens überlegen, was von meinem Körper an welche Stelle gehört (lacht).
Interview: Kristina Heuer