Verlorene Charaktere scheinen ihm zu stehen, so erlangte Roeland Wiesnekker als bestechlicher Polizist in der Serie „Blackout – Die Erinnerung ist tödlich“ den Durchbruch und prägte sich dann als tablettensüchtiger Drogenfahnder in „Strähl“ noch tiefer ins Bewusstsein der Zuschauer ein. Zuletzt war er als verzweifelter Ehemann in „Wo ist die Liebe hin„ zu sehen.
Doch egal, ob korrupt, kaputt oder komödiantisch wie in „Dr. Psycho“ – Roeland Wiesnekkers Auftritte bleiben im Gedächtnis. Dies liegt nicht nur an seinem markanten Aussehen, sondern auch an seiner Ausstrahlung. Im Interview gibt er sich zurückhaltend, aber zugewandt, interessiert und zugleich distanziert. Der 54-Jährige hält viele Teile seines Privatlebens unter Verschluss, dabei ist sein Leben interessant. Wiesnekker machte eine Lehre zum Koch, arbeitete als Pfleger und in einer Suppenküche für Obdachlose, bevor er dann an der Schauspielakademie Zürich seinen Abschluss erreichte.
Besonders die Rolle des Ermittlers scheint Wiesnekker auf den Leib geschrieben zu sein: Im Frankfurter „Tatort“ spielte er den Kommissariatsleiter Henning Riefenstahl, im „Prag-Krimi“ den oft lächelnden Polizisten Jan Koller. Nun kehrt er zum dritten Mal als Martin Brühl in „Der Kommissar und die Eifersucht“ (Montag 16. Mai, 20.15 Uhr, ZDF) zurück. Im exklusiven Interview verrät uns Roeland Wiesnekker was ihn mit der Rolle verbindet, warum er nicht mehr so schnell auf die Barrikaden geht und warum er Trubel in seinem Leben braucht.
Darum geht’s in „Der Kommissar und die Eifersucht“
Roeland Wiesnekker im Interview
GOLDENE KAMERA: Es ist bewundernswert: Je hektischer und lauter es wird, desto mehr Ruhe strahlt Martin Brühl aus.
Roeland Wiesnekker: Ja, das empfinde ich auch so. Es ist die Herangehensweise dieser Figur. Martin lässt sich von nichts anstecken. Das gefällt mir so sehr an ihm.
Selbst als er seine Freundin Susanne Koch, gespielt von Meike Droste, der Untreue verdächtig, bleibt er ruhig.
Wie das halt so ist.
Ist das so? Ich würde denjenigen doch zur Rede stellen…
Ja, ich wahrscheinlich auch. Irgendwann hätte Martin das sicher auch getan, aber sie taucht ja wieder auf.
Kennen Sie Eifersucht?
Ja, ich kannte das Gefühl auch. Jetzt nicht mehr so sehr. Ich bin auch ein bisschen ruhiger geworden (lacht). So schnell gehe ich nicht mehr auf die Barrikaden.
„Der Kommissar und die Eifersucht in Bildern“
Fiel Ihnen die Nacktszene vor dem Spiegel schwer?
Nein, es ist ja der Selbstzweifel, der Martin packt, wenn er sich kritisch im Spiegel betrachtet. Er vergleicht seinen Bauch mit dem Sixpack seines Kollegen Eli (gespielt von Marc Ben Puch, Anm. d. Red.) Da geht ihm einiges durch den Kopf. Das fand ich absolut passend und hatte überhaupt keine Probleme damit.
Und dann bestellt Martin sich statt Bouletten den Fitnessteller. Entspricht das auch Ihrem Naturell?
Ja, ich esse schon auch gesund. Ich fand diese Szene lustig und habe das so miteingebracht.
Eigentlich besteht laut den Kollegen kein Bedarf für Martin Brühl zu ermitteln. Warum legt er den Fall nicht einfach zu den Akten?
Wahrscheinlich, weil er in den Gesprächen mit der psychisch instabilen Frau spürt, dass da etwas dran sein muss. Sie weiß von Dingen und Übereinstimmungen, die merkwürdig sind.
Er beißt sich ja geradezu daran fest.
Das hat mit seinem Charakter zu tun. Martin glaubt nicht an die offensichtlichen Dinge, sondern guckt ein wenig um die Ecke. Er ist kein 0815 Kommissar, der nur Indizien sammelt, sondern einer, der auch ein wenig nach links und rechts schaut.
Kennen Sie das? Wie nähern Sie sich der Figur an?
Ja, ich kann mich auch festbeißen. Ansonsten mache ich das wie alle Schauspieler: Ich gucke mir die Geschichte an und versuche sie so gut wie möglich zu bedienen. Natürlich ist mir die Figur dabei ans Herz gewachsen.
Stimmt es, dass Sie Ihre Texte am liebsten in der Kneipe lernen?
Das habe ich vor 20 Jahren mal in einem Interview erzählt. Inzwischen bin ich etwas älter geworden und sitze nicht mehr so viel in der Kneipe. Allerdings habe ich beim Lernen noch immer gern Trubel um mich herum. Zuhause, hier bei mir in Zürich, läuft beispielsweise im Hintergrund der Fernseher. Das hilft mir abzuschalten. Wenn es nur ruhig ist, kann diese Überkonzentration entstehen. Da fällt mir das Lernen schwerer, als wenn ich ab und zu einen Menschen beobachte und mich dann wieder konzentriere.
Es ist sehr angenehm, dass bei „Der Kommissar und die Eifersucht“ der private Strang nur leicht mitschwingt, ohne den Fall zu dominieren. Wird das so bleiben?
Ich kann leider noch keine Tendenz sagen, weil ich noch nicht weiß, wann und ob wir wieder einen drehen. Es ist ein bisschen mühsam, auf das Go zu warten. Die Art und Weise wie Christoph Darnstädt schreibt, glaube ich aber, dass das Privatleben nicht in den Vordergrund rücken wird und es bei dieser guten Mischung bleibt. Man spürt was bei Brühl los ist, aber mehr muss es auch nicht sein. Ich hätte auf jeden Fall große Lust weiterzumachen.
Was sollte Ihrer Meinung nach als Nächstes passieren?
Mir kam es in den Sinn, dass es jetzt mal jemanden aus dem Team treffen müsste. Und lustigerweise hatten die Macher das auch schon angedacht. Aber ich weiß nicht, was da jetzt in der Entwicklung ist.
Sie waren und sind in zahlreichen Ermittlerrollen zu sehen. Warum liegt Ihnen diese Krimi-Reihe so am Herzen?
Ich finde die Reihe sehr unaufgeregt. Es sind spezielle Krimis, die um die Ecke gedacht sind und bei denen man mitdenken muss. Ich mag die Erzählweise. Zudem kommt was Menschliches rein und es werden Themen aufgegriffen, die gesellschaftlich relevant sind.
Im Herbst startet der neue SRF-Krimi „Der Beschatter“ aus Basel, in dem Sie auch die Hauptrolle eines Ermittlers spielen. Wird diese Serie auch in Deutschland zu sehen sein?
Netflix interessiert sich dafür, es zu synchronisieren. Auch wenn ich Synchronisationen immer schade finde, weil das Spiel unterschiedlich ist und das nicht rüberkommt. Es liegt nicht nur an der Sprache. Hätte ich „Der Beschatter“ auf Hochdeutsch gedreht, hätte ich einiges ganz anders und vielleicht auch mit mehr Tempo gespielt. Aber beide Spielweisen haben ihren Charme.
In welchen Rollen werden wir Sie noch sehen?
Momentan drehe ich die Kinokomödie „Die Nachbarn von oben“. Es ist die Adaption eines spanischen Blockbuster. Danach gönne ich mir erst Mal eine Pause. Das tut auch mal gut, zudem ich ja noch einen 15-jährigen Sohn habe, der mich braucht.
Sie haben im Interview mal gesagt, dass sie so lange in Zürich bleiben wollen, wie Ihr Sohn sie braucht. Zum 50. Geburtstag haben sie neben Ihrer niederländischen Staatsbürgerschaft auch die Schweizer angenommen. In 6 Jahren, wenn Sie 60 werden und Ihr Sohn vielleicht auf eigenen Beinen steht, welchen Pass könnten Sie sich dann noch zusätzlich vorstellen?
Dazu habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es kann auch gut sein, dass ich dann hierbleibe. Falls es mich nach Deutschland verschlagen würde, könnte ich mir Hamburg zum Leben gut vorstellen.
Werden Sie inzwischen bei Castings mit den Schweizer Schauspielern in eine Schublade gesteckt?
Nein, das passiert mir nicht. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Ich bin halt auch kein typischer Schweizer, sondern der niederländische Ausländer. Aber als Niederländer werde ich noch weniger wahrgenommen. Ich brauche diese Schublade auch nicht.
Interview: Kristina Heuer