In „Auf dem Grund“ (Mittwoch, 22. März, 20.15 Uhr im „FilmMittwoch im Ersten“) spielt unsere GOLDENE KAMERA-Preisträgerin von 2013 Claudia Michelsen eine Frau, die als Profischwimmerin von Albträumen vom Wasser heimgesucht wird.
Im Interview zum Film verriet uns die Schauspielerin, dass sie bei fast allem – außer einer Sache – angstfrei sei, warum Sport mehr gefördert werden müsse und dass wir alle Dinge mit uns rumtragen, die unser Leben beeinflusst haben.
Außerdem erklärte die 53-Jährige uns, warum Caterina Schöllack in der „Ku’damm“-Reihe auf der Strecke geblieben ist und wie es mit ihr als Kommissarin im „Polizeiruf 110“ weitergeht.
Claudia Michelsen im Interview
Wie würden Sie das Thema dieses Films zusammenfassen?
Es ist die Geschichte einer Familie, die über Jahrzehnte Belastungen ausgesetzt ist, weil Dinge verschwiegen wurden. Und wahrscheinlich hätten die Töchter ein anderes Leben führen können, wäre man vor langer Zeit anders damit umgegangen.
Inwiefern betrifft dieses Geheimnis Ihre Rolle?
Anne ist seit frühester Kindheit belastet durch etwas und sie weiß nicht warum oder woher. Ein Trauma, ein Erlebnis, das ihre Verhaltensweise in jeglichem Sinne jahrzehntelang beeinflusst hat. Wie schnell denkt man einfach nur, man selbst ist das Problem, es ist die eigene Schwäche. Aber oft ist es eben doch komplexer.
Inwiefern?
Wir alle tragen Dinge, Erlebnisse mit uns rum und manchmal sogar noch die Geschichten unserer Eltern, die durch ihr Verhalten unser Leben beeinflusst haben und dadurch das Leben unserer Kinder.
Könnte man diese Dinge nicht auch für immer verdrängen?
Es gibt sicher solche Leute, die einen so guten Verdrängungsmechanismus haben, dass sie so ein ganz gemütliches Leben an der Oberfläche führen können. Ich möchte das nicht. Aber auch ich habe erst in späten Jahren begriffen, was ich von meinen Eltern tragen musste und meine Eltern von deren Eltern. Verdrängung ist keine Lösung. Für mich nicht und vor allem nicht für meine Kinder.
Können Sie hierfür Beispiele nennen?
Ein gutes Beispiel ist Caterina Schöllack in der „Ku’damm“-Reihe. Warum ist sie die Disziplin in Person, fast schon militant? Weil es für mich mit ihrer Geschichte zu tun hat. Viele Frauen waren nach dem Krieg so weil die meisten alleinerziehende Mütter waren. Sie mussten Mann, Frau, Vater und Mutter sein. Alles in einem. Sie mussten ohne ihre Männer die Kinder durchbringen. Und ich glaube, das ging zu der Zeit nur mit dieser preußischen Art des Umgangs. Sie selbst ist ja dabei auch völlig auf der Strecke geblieben.
Beim Dreh müssen Sie ständig nass gewesen sein. War das schwierig?
Die größte Herausforderung für mich war es, beim Dreh die Augen unter Wasser aufzumachen. Das mache ich nicht gern und das hat mich sehr viel Überwindung gekostet. Für viele Menschen ist das normal, aber ich war etwas nervös davor.
Neigen Sie – so wie in der Rolle auch persönlich zu Panikattacken?
Die gab es in meinem Leben auch schon, aber das ist lange her. Ich bin ein sehr angstfreier Mensch. Außer es geht um meine Kinder, dann sieht das ganz anders aus.
Welches Verhältnis haben Sie ansonsten zum Wasser?
Ich liebe das Wasser, vor allem das Meer, zu dem ich eine sehr hohe Affinität habe. Es ist für mich das ausgleichenste Element. Wenn ich am Meer bin, geht es mir gut. Ich schwimme auch gern, aber nicht in Schwimmbädern oder Seen, lieber dann doch im Meer.
Wie wichtig war Sport in Ihrem Leben?
In meiner Kindheit gehörte Sport für uns alle zum Alltag und ich finde es essenziell, dass die Kinder nachmittags Sport machen. Ich habe Handball, Fußball und Tischtennis gespielt, aber später dann vor allem Leichtathletik gemacht. Sport und Musik für Kinder sind heute fast schon Luxusprogramme, die man sich leisten können muss. Das finde ich nicht richtig. Ich habe mich letztens mit meiner jüngeren Tochter darüber unterhalten, wie oft sie die Sportarten gewechselt hat, weil sie auf der Suche war, sie hat sich dafür bedankt, dass ich ihr das ermöglicht habe. Das sollte normal sein, in einem Land wie diesem.
Sie sprechen von Ihrer Tochter Tara Michelsen. Im Film wird ja auch hitzig diskutiert, inwiefern man als Elternteil die Pflicht hat, ein Talent seines Kindes zu fördern. Welche Einstellung haben Sie dazu und was haben Sie Tara und ihrer Tochter Lina Rusnak, die ja ebenfalls Schauspielerin ist, ermöglicht?
Ich verstehe, was Anne im Film meint. Aber ich teile es nicht in dieser Konsequenz. Eltern sollten ihre Kinder sicherlich unterstützen und vor Allem fördern, aber eine Pflicht dazu empfinde ich als zu viel. Ich finde es wichtig, auf die Kinder zu hören, wenn sie einen Wunsch haben, wenn sie neugierig sind. Aber sicherlich ist es an den Eltern diese Neugier zu erwecken und der Staat hätte die Pflicht, allen Kindern diese Türen zu öffnen, so wie es in meiner Kindheit war.
Das Cello spielt im Film auch eine Rolle. Ihr Vater Udo Zimmermann, der im letzten Jahr verstorben ist, war ein berühmter Komponist. Wie wichtig war Musik für Sie?
Ich wusste natürlich immer, wer mein Vater ist, aber ich habe ihn tatsächlich erst mit 15 Jahren kennengelernt. Insofern war, weil mein Vater nicht da war, die Welt der Musik für mich ein Sehnsuchtsort. Zum Glück hatte ich in meinem Leben andere Vaterfiguren, Rolf Hoppe, der Vater meiner ältesten und besten Freundin Christine Hoppe hat uns früh in die Welt des Theaters mitgenommen, eine Leidenschaft, die wir schon in der Kindheit geteilt haben und die wir bis heute tragen.
Wie haben Sie den Tod ihres Vaters empfunden?
Der Verlust des Vaters war ja schon immer da. Aber wenn jemand endgültig geht, wird dieser Verlust noch verstärkt und vieles holt einen auf andere Art und Weise ein. Dass mein Vater nicht da war, hat Einfluss auf mein Leben und dadurch wiederum auf das Leben meiner Töchter gehabt. Ich bin dabei, diese und andere Themen aufzuarbeiten. Ein weites Feld, aber wenn wir aufhören an uns selbst zu arbeiten, bedeutet das Stillstand, Bewegungslosigkeit und eigentlich ein Ende.
Auch Ihre sehr bekannte Rolle, die der Kommissarin Brasch im „Polizeiruf 110“ hat eine Vergangenheit, die sie noch aufarbeitet….
Brasch überrascht mich immer wieder. Ich nehme sie kaum als Kommissarin wahr, das interessiert mich nicht vordergründig. Sie ist im Kinderheim großgeworden, war Punk und nicht angepasst. Sie hatte fast schon etwas „asoziales“, „autistisches“. Eine Figur, die am Lernen ist und sich über die Jahre verändert hat. Herrlich ist das.
Ihr nächster „Polizeiruf 110“-Fall erinnert an die Serie „The Sinner“…
Das stimmt, die Folge „Blackout“ erzählt von einem Jungen, der tötet aber nicht weiß, warum. Aber „The Sinner“ ist tatsächlich noch ein anderes Genre.
Und wovon handelt die Folge „Hexen brennen“?
Es geht da tatsächlich auch um Hexen auf dem Brocken. Es ist eine sehr ungewöhnliche Geschichte.
Welche Geschichten werden wir, abgesehen vom „Polizeiruf 110“, noch von Ihnen sehen?
Ich durfte letztes Jahr einen Film mit Gehörlosen drehen. Das war ganz wunderbar. Ich bin froh, dass sich auch hier die Türen, wenn auch noch zu langsam, in diese Richtung des Erzählens öffnen. Außerdem habe ich einen Kinofilm mit Aelrun Goette gedreht, die Geschichte eines jungen Mädchens in der Zeit um 1988, die Welt der Mode und Fotografie in der DDR. Ein noch unberührtes, nicht erzähltes Feld. Ich bin gespannt.
Interview: Kristina Heuer