„Würden Sie Erich und Margot Honecker aufnehmen?“ Als diese Anfrage 1990 bei Uwe Holmer eingeht, glaubt der Brandenburger Pastor zuerst, er habe sich verhört. Doch der DDR-Jurist Wolfgang Vogel fordert ihn tatsächlich auf, dem gestürzten Staatschef und seiner Frau Asyl zu gewähren. Vorübergehend, so Vogels Vorschlag, könne Honecker doch im Kinderzimmer des Pfarrhauses leben. Uwe Holmer überlegt nicht lange: Obwohl er selbst unter dem Unrechtsstaat gelitten hat, nimmt er das Ehepaar bei sich auf.
Eine erdachte Komödie? Keineswegs! Der Spielfilm „Honecker und der Pastor“ (Montag, 21. März, 20.15 Uhr im ZDF) unter Regie von Jan Josef Liefers erzählt eine wahre Geschichte.
Darum geht’s in „Honecker und der Pastor“
Januar 1990. Nach dem Mauerfall und seiner Entmachtung ist Erich Honecker (Edgar Selge, GOLDENE KAMERA 2007) obdachlos. Weder Mitglieder der SED-Parteispitze noch hochrangige Profiteure der DDR wollen dem 77-Jährigen und seiner Frau Margot (Barbara Schnitzler) Unterschlupf gewähren. Einzig Provinzpastor Uwe Holmer (Hans-Uwe Bauer) und dessen Frau Sigrid (Steffi Kühnert) erbarmen sich des Diktatorenpaars. Doch als die Weltpresse anrückt und ein wütender Mob Honecker obendrein mit einer Bombendrohung dazu bringen will, das Kinderzimmer zu verlassen, spitzt sich die Lage dramatisch zu.
Plötzlich steht Holmer vor der Entscheidung, Honecker zu verteidigen oder ihn auszuliefern.
Hintergrund
„Diese wahre Geschichte ist einfach unglaublich“, sagt Edgar Selge im Gespräch: „Einer der mächtigsten Männer der Welt zieht ins Kinderzimmer eines Pastors und fällt so tief, wie man es sonst nur von Shakespeares Figuren kennt, etwa Richard III.“ Was der Diktator dabei wohl empfunden hat, beschäftigt Selge: „Honecker war in die Enge getrieben, und er wusste, dass jeder Moment sein letzter sein konnte. Die Bombendrohung zeigt das ausdrücklich: Als die Warnung einging, blieb er lieber im Pfarrhaus, statt sich in Sicherheit zu bringen. Denn ein heroischer Abgang entsprach seinem Selbstbild mehr als das Bedürfnis, sich zu retten.“
Und was hat den Regisseur des Films, Schauspieler Jan Josef Liefers, gereizt? „Mich interessiert, wie sich die Honeckers im Kinderzimmer gefühlt haben und was ihre Anwesenheit für die Holmers bedeutete“, sagt Liefers. „Und dass die Honeckers ausgerechnet in Lobetal unterkamen, einer kirchlichen Einrichtung, wo während der DDR-Zeit jene eine Bleibe fanden, die nicht ins sozialistische Menschenbild passten: körperlich oder geistig Behinderte, psychisch Kranke, Gescheiterte, Verzweifelte.“
Ein Highlight des TV-Jahres
Wie hat Jan Josef Liefers die damaligen Ereignisse recherchiert? „Mein erster Kontakt war nicht Pastor Uwe Holmer selbst, sondern sein jüngster Sohn Kornelius“, erzählt der Star im Gespräch. „Er hat mir viel über seinen damaligen ‚Kinderblick‘ auf die außergewöhnlichen Geschehnisse berichtet.“ Lustige Randnotiz: In einer Filmszene begegnet der Darsteller des Jungen, Ilja Bultmann, dem echten, mittlerweile erwachsenen Kornelius vor einem „Konsum“, in dem Liefers’ Gattin Anna Loos als Verkäuferin hinter der Ladentheke steht. Und ja, auch Liefers’ Freund Axel Prahl hat eine kleine Rolle: „Er spielt den dauerrauchenden Herrn Schimke, den es tatsächlich gegeben hat.“
GOLDENE KAMERA TV-Tipp, weil…
Dank exzellenter Schauspieler und der unglaublichen, aber wahren Geschichte zählt diese fesselnde Tragikomödie jetzt schon zu den Highlights des TV-Jahres. Welchen Denkanstoß gibt sie aus Sicht des Regisseurs Jan Josef Liefers? „Mein Film ist eine Geschichte über Freiheit und Vergeben. Wir müssen einander verzeihen, statt auf Rache zu sinnen. Ansonsten werden wir Bitterpilze.“