„Wir haben uns Lichtjahre voneinander entfernt. Und ich will so nicht mehr leben!“ Nach dieser Ansage von Gregor (Roeland Wiesnekker) scheint das Ende seiner Ehe vorprogrammiert. Aber was ist passiert? Betrug, Affären, Lügen? Fehlanzeige! Oft sind es die kleinen Dinge des Alltags, die ein Paar auseinanderdriften lassen. So auch im Film „Wo ist die Liebe hin“ (Mittwoch, 12. Januar, 20.15 Uhr im Ersten und bereits in der Mediathek).
Darum geht’s in „Wo ist die Liebe hin“
17 Jahre sind Agnes (Ulrike C. Tscharre) und Gregor (Roeland Wiesnekker) nun schon ein Paar. Sie sehen sich immer noch verliebt an, behandeln einander mit Respekt und sind für ihre besten Freunde Conny (Uygar Tamer) und Bernhard (Rainer Bock), die sich im Gegensatz zu ihnen sehr viel streiten, der Inbegriff eines harmonischen Pärchens. Für beide ist es die zweite Ehe. Gregor hat seine erste Frau an Krebs verloren, Agnes erste Beziehung ist gescheitert.
Nachdem vor zwei Jahren Agnes erwachsene Töchter ausgezogen sind, hat die Hausfrau wieder angefangen in Teilzeit im Marketing eines Supermarktes zu arbeiten. Zu den momentan großen Herausforderungen des Alltags gehören das pubertierende Verhalten ihrer gemeinsamen 15-jährigen Tochter Helena (Emilie Neumeister) und Gregors Druck, als freier Grafiker an Aufträge zu gelangen.
Als Agnes durch ihren Job in Kontakt mit der Hamburger Tafel, einer gemeinnützigen Organisation für Bedürftige, tritt, entsteht bei ihr der Wunsch mehr für die Gesellschaft zu tun. Gemeinsam mit Heike (Anneke Kim Sarnau) beginnt sie ehrenamtlich den Verein zu unterstützen. Dadurch verschiebt sich plötzlich ihr Blickwinkel auf sich und ihre Familie, sowie ihre Wertevorstellungen. Sie empfindet die Anspruchshaltung ihrer Tochter geradezu als unverschämt, der Haushalt und der Job stellen nicht mehr die Prioritäten in ihrem Leben dar. So vergisst sie sogar ihre Tochter vom Sport abzuholen, bestellt lieber das Essen, anstatt es wie bisher selber zu kochen und findet keine Zeit, ihren Mann bei seiner Arbeit zu unterstützen. Gregor beschleicht das Gefühl, das Agnes das Familienleben nicht mehr wichtig ist und er kann mit dieser Veränderung nicht umgehen.
Ohne es zu merken, entfremden die beiden sich und aus dem ansonsten stets zugewandtem Paar werden plötzlich zwei Menschen, die aneinander vorbei leben.
Hintergrund
„Sie haben keinerlei Werkzeug im Umgang mit Krisen entwickelt, weil es nicht vonnöten war, mit Spannungen umzugehen. Wenn Menschen Spannungen nicht kennen, können sie diese direkt als existenzielle
Bedrohung empfinden“, erklärt Ulrike C. Tscharre das Hauptproblem ihrer Rolle Agnes und deren Mann. Agnes habe durch die Arbeit bei der Tafel erkannt, wie privilegiert sie sei. „Durch diese minimale Verschiebung, als Agnes nicht mehr ausschließlich für ihre Familie da ist, beginnt alles zu bröckeln.“
Zu der Stellung der Frau sagt die Schauspielerin: „Familien – egal in welchem Gefüge – sind der Kern einer jeden Gesellschaft. Jede*r hat eigene Erfahrungen mit dem Thema und wurde dadurch geprägt. Für mich ist Agnes eine starke Frau, obwohl sie nicht den Fokus auch noch auf ihre berufliche Karriere legt. Mich ärgert immer dieses Hinabschauen auf Frauen, die „nur“ zu Hause sind, sich um die Kinder kümmern und nicht berufstätig sind oder nur Teilzeit arbeiten. Frauen wie Agnes leisten unheimlich viel. Es ist schon eine enorme Aufgabe, Kinder, Familie und Haushalt zu stemmen. Und wenn Frauen dann auch noch arbeiten, bleibt trotzdem ein Großteil der häuslichen Arbeit an ihnen hängen.“
GOLDENE KAMERA TV-Tipp, weil…
Um es gleich vorwegzunehmen: Der Film bietet keine überraschenden Wendungen, schlägt nicht mit der Moralkeule zu und liefert auch keine A-ha-Momente. Es sind eher die leisen Zwischentöne, die ruhige, unaufgeregte Erzählweise und das Innere der Figuren, das den Film ausmachen.
Es gibt hier keine Schuldzuweisungen, ja noch nicht einmal einen Schuldigen und auch keine Lösungen, sondern nur die pure Geschichte und die damit verbundenen Gefühle der Charaktere. Es wird an einer Schraube gedreht und alles gerät aus der Balance. Wie geht ein an sich immer harmonieliebendes Paar mit diesen Veränderungen um? Wie trägt man einen Konflikte aus, wenn man dies nie gelernt hat? Warum kann selbst ein scheinbar perfektes Paar scheitern? Das fragt sich auch der Zuschauer, der dank des gelungen Spiels der Protagonisten mit beiden gleichermaßen mitfiebert.
Teilweise wirkt der kammerartige Film dabei etwas zäh. Aber auch eine Beziehung kann nach so langer Zeit zäh sein. Ob es sich lohnt dran zu bleiben, wird wohl sehr individuell unterschiedlich eingeschätzt.