Seit dem 18. Oktober (immer montags, 20.15 Uhr) zeigt Sat.1 sechs Promis, die ein Praktikum in der Pflege absolvieren. Bei „Die Herzblut-Aufgabe – Promis in der Pflege“ sehen die Zuschauer Jenny Elvers, Jorge González, Faisal Kawusi, Lilly Becker, Patrick Lindner und Wayne Carpendale, die in die Rolle der Krankenpfleger schlüpfen. Nichts ist gestellt, nichts überdramatisiert oder geschönt, die Promis zeigen, was in ihnen steckt und wie der Klinikalltag wirklich aussieht.
Wie kam es zu dem spannenden Projekt und wie war die Erfahrung für Wayne Carpendale? GOLDENE KAMERA hat bei dem Schauspieler nachgefragt.
Wayne Carpendale im Interview
GOLDENE KAMERA: Grade der Pflegeberuf war im letzten Jahr oft in den Medien. Wie lange haben Sie gebraucht, um für das Projekt zuzusagen?
Wayne Carpendale: Eine Minute. Das ist ja ein Projekt, das nur ein Satz braucht, um es zu verstehen: Prominente – ich mag das Wort nicht – machen ein Praktikum in der Pflege. Da habe ich nur gefragt, ob das wirklich ein echtes Praktikum wird, dass da also nichts gestellt ist. Das wurde mir zugesagt, also war ich dabei.
Auch, weil wir Anfang letzten Jahres alle auf den Balkonen standen und für die Pflegekräfte im ganzen Land applaudiert haben. Damals haben wir uns mehr oder weniger geschworen, dass sich unsere Wertschätzung für solche systemrelevanten Berufe verbessern muss. Ein paar Monate später ist von diesen Versprechungen gefühlt kaum noch was übrig. Da ist das jetzt ein richtig guter Zeitpunkt für ein solches TV-Projekt.
Glauben Sie mit Ihrer Erfahrung jetzt, dass das Pflegepersonal definitiv mehr verdienen müsste?
Natürlich kann ich diese Frage ganz einfach mit Ja beantworten, aber das finde ich auch irgendwie zu simpel. Es geht meiner Meinung nach um mehr, um generelle Wertschätzung der Menschen, die in diesen Berufen arbeiten. Warum kümmern wir uns erst in einer Pandemie darum, dass systemrelevante Berufsgruppen auf jeden Fall Vorrang bei der Betreuung für ihre Kinder kriegen? Warum gibt es nicht mehr Kitas und Kindergärten, die 24 Stunden aufhaben, für Menschen, die im knallharten Schichtbetrieb rund um die Uhr arbeiten müssen…und das auch noch jeden Tag in einer anderen Schicht? Die Infrastruktur muss gerade für diese Menschen verbessert werden – das fängt bei bezahlbarem Wohnraum an und hört bei der Förderung der Ausbildung für diese Berufe noch lange nicht auf. Natürlich ließen sich einige dieser Probleme mit mehr Gehalt verbessern. Aber vor allem müssen wir wirklich verstehen, dass unser System ohne diese Menschen zusammenbricht – da nützt auch alle Technik nichts. In München hört man von Rettungswägen mit Kindern, die an den Notaufnahmen der großen Kliniken abgewiesen werden, obwohl dort Betten auf der Kinderintensiv frei sind. Da fehlt es schlichtweg an Personal. Das finde ich einfach unerträglich.
Sie haben jahrelang einen Arzt gespielt, jetzt sind Sie so richtig in die Rolle einer Pflegekraft geschlüpft, wie war die Erfahrung?
Diese Verbindung wurde bei diesem Projekt oft von außen hergestellt. Ich verstehe den naheliegenden Gedanken, aber ich finde, er verniedlicht die Arbeit der Pflegekräfte und zeigt nebenbei auch wenig Verständnis für meinen Beruf. Ja, ich habe mal einen Arzt gespielt, aber mit solchen TV-Serien möchten wir die Zuschauer mit emotionalen Geschichten berühren und unterhalten, meist mit Happy End. Da geht es wirklich wenig darum, ob ein ärztlicher Handgriff richtig sitzt oder ob alles medizinisch hundertprozentig korrekt ist.
In der Realität und auch schon bei diesem Praktikum geht es um Leben und Tod, was jetzt sehr dramatisch klingen mag, aber wir waren ja nicht in einer Reha-Klinik, sondern in einem Krankenhaus, in dem die meisten Patienten auf meiner Station, also auf der Unfallchirurgie, mit dem Rettungswagen oder -hubschrauber eingeliefert wurden. Da denk ich nicht mal ansatzweise daran, dass ich als „Landarzt“ ja auch mal in einer Szene so getan hab, als würde ich einem Menschen das Leben retten.
Emotionale und körperliche Belastung für Wayne Carpendale
Wie war der Reality-Check, den man bekommen hat? Und wie geht man abends nach Hause?
Die Belastung war schon arg. In den vier Wochen schien sie gar nicht mal so hoch, weil das ja auch für mich alles neu war. Ich war interessiert und wollte, soweit mir das möglich war, helfen. Und nach der Schicht war ich dann auch noch oft unter Adrenalin und hab die ganzen Bilder und Erfahrungen nicht wirklich verarbeitet, weil das normale Leben mit dem üblichen Alltagsstress, wie bei den richtigen Pflegern ja auch, weiterging. Da merkst du dann erstmal nicht, dass es Sachen gibt, die du verarbeiten und dir von der Seele reden musst.
Aber direkt nach dem Projekt haben mein Körper und meine Seele mich dann ausgebremst. Ich lag mit Fieber im Bett und hab gemerkt, dass ich seelisch auch echt an meiner Grenze war. Dafür will ich jetzt kein Mitleid oder so, aber das zeigt, was die Menschen durchmachen, die halt nicht mal nur vier Wochen in diesen belastenden Beruf hineinschnuppern, sondern ihn Jahrzehnte mit großer Leidenschaft leben.
Wie oft stehen einem die Tränen in den Augen beim Anblick der Patienten?
Da muss ich sagen, dass ich das Glück hatte auf einer sehr dankbaren Station zu sein. Klar, das waren auf der Unfallstation überwiegend Patienten, die von einer Sekunde auf die andere aus ihrem alltäglichen Leben gerissen wurden, aber den meisten ging es zwar am ersten Tag schlecht, dann aber von Tag zu Tag besser. Und außerdem war auch die orthopädische Station angeschlossen, auf der überwiegend ältere Patienten waren, die eine neue Hüfte oder ein neues Knie bekommen haben. Die konnten dann schon am zweiten Tag langsam aufstehen und denen ging es oft kurz nach der OP besser als davor. Aber die anderen Praktikanten waren zum Beispiel auf der onkologischen Station und Jorge González sogar auf der Kinderonkologie. Die hochemotionalen Geschichten, die er dort erlebt hat, möchte ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen.
Hat man sich zwischendurch gedacht, das ist ja gar nicht wie bei „Emergency Room“ oder „Grey’s Anatomy“?
Na ja, nicht wirklich, weil das im Fernsehen oft überdramatisiert wird. Schon beim Bayerischen Roten Kreuz, wo ich vor einigen Jahren mal eine Ausbildung zum Erste-Hilfe-Sanitäter gemacht habe und ein paar Mal im Rettungswagen mitgefahren bin, habe ich gesehen, wie besonnen und ruhig die richtigen Rettungskräfte in solchen Situationen agieren. Da wird nicht gerannt oder geschrien, sondern da geht es in den krassesten Notfällen sehr geregelt und strukturiert ab. Das Sprichwort „In der Ruhe liegt die Kraft“ gilt umso mehr, desto größer der Unfall ist.
Faisal hat in einem Fazit gesagt, er war als Pflegepraktikant so nützlich wie ein Türstopper – glauben Sie, dass Sie dem Team wirklich unter die Arme greifen konnten?
Dass wir eine große Hilfe sein würden, wäre der falsche Anspruch gewesen. Wir waren Praktikanten. Und grundsätzlich ist das doch auch in einem normalen Büro so, dass Praktikanten am Anfang erstmal eingewiesen werden müssen. Dann dürfen sie auch mal am Fotokopierer was kopieren. Und wenn sie sich richtig gut anstellen, dann übernehmen sie irgendwann auch mal ein bisschen Verantwortung. Trotzdem war ich überrascht, wieviel die Pfleger und auch die Patienten uns haben machen lassen. Und gerade Faisal hat schon in den ersten Tagen auf der Geriatrie Patienten komplett gewaschen und hatte dann auch noch ein bisschen mehr Zeit als die normalen Pfleger, mit den Patienten zu reden. Ich würde sagen, wir haben alle ein bisschen Schwung in die Bude gebracht. Und das, ohne zu sehr im Weg rumzustehen.
Sie haben auch normalen Schichtbetrieb mitgemacht?
Meist hatten wir die Schicht von 6 bis 14 Uhr und ein paar Nachschichten von 22 bis 6 Uhr. Die Schichten von 14 bis 22 Uhr konnten wir aus Produktionsgründen nicht machen.
Was haben Sie persönlich aus der Sendung mitgenommen? Hat man darüber nachgedacht, was wirklich wichtig im Leben ist?
Auf der Unfallstation wird dir sicher nochmal bewusst, wie schnell das Glück sich wenden kann. Ich hatte eine Patientin, die kam von Hamburg nach Berlin mit dem Motorrad, ausgerechnet für ein Fahrsicherheitstraining. Und bei diesem Training ist sie so schwer gestürzt, dass ihr die Milz gerissen ist, sie einen Armbruch hatte und etwas mit der Hüfte. Und der Sohn stand daneben und hat gesehen, wie sie leidet, bis der Rettungswagen kam. Da macht man sich natürlich Gedanken. Bin ich deswegen vorsichtiger geworden? Nein, aber sicher etwas bewusster.
Ich bin für dieses Projekt aus meiner Komfortzone rausgekommen, was mir immer mal wieder guttut. Aber vor allem habe ich Menschen kennengelernt, die sich für andere Menschen einsetzen und die dafür außerordentliche Belastungen auf sich nehmen. Davor habe ich größten Respekt!