Zum Start des neuen „Tatort: Der Reiz des Bösen“ (Sonntag, 19. September, 20.15 Uhr im Ersten) wird ausgerechnet „Nothing’s Gonna Hurt You Baby“ von Cigarettes After Sex gespielt. Diese ruhige, sehr melodische Musik passt so gar nicht zu dem, was der Zuschauer gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen bekommt: Eine Frau wird scheinbar im Vorbeigehen brutal erstochen. Dies bleibt nicht der einzige Widerspruch im Film.
Darum geht’s im „Tatort: Der Reiz des Bösen“
Susanne Elvan (Nesche Demir) gibt ihrer 14-jährigen Tochter Mia (Tesha Moon Krieg) zur Beruhigung noch einen Kuss. Dann geht sie raus auf die Straße und wird quasi im Vorbeigehen von einem Mann erstochen. Die Identität des Täters scheint auf der Hand zu liegen. Susanne war seit einem Jahr mit Tarek Elvan (Sahin Eryilmaz), einem verurteilten Gewaltverbrecher, der auch wegen Vergewaltigung in Haft saß, verheiratet. Sie hatte ihn über ein Brieffreundschafts-Portal kennengelernt und noch im Gefängnis geheiratet. Zum Zeitpunkt der Tat war Tarek gerade erst wieder auf freiem Fuß.
Für Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) scheint die Lösung des Falls somit eindeutig zu sein. Doch ihr Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) hält Tarek für unschuldig. Er hatte in seiner Zeit bei der Sitte im Jahr 2015 mit einem ganz ähnlichen Fall zu tun. Damals hängte Jütte sich so sehr in den Fall rein, dass sein Herz nicht mehr mitspielte und er kürzertreten musste. Ballauf und Schenk lernen ihren sonst so phlegmatischen Kollegen plötzlich als Turbo-Jütte kennen.
Im Gefängnis treffen die Ermittler auf noch mehr Frauen, die unter Hybristophilie, auch Bonnie-und-Clyde-Syndrom genannt – also der Liebe zu Schwerverbrechern – leiden. Selbst die Gefängnispsychologin Bianca Ambach (Tanja Schleiff) liebt einen Inhaftierten. Dann schlägt der Täter erneut zu…
Hintergrund
Das Drehbuch für „Der Reiz des Bösen“ stammt von den zweifachen Grimme-Preisträgern Arne Nolting und Jan Martin Scharf, der auch selbst Regie führt.
Dietmar Bär erklärt den Fall wie folgt: „Ein tief verletzter, traumatisierter Mensch macht den folgenschweren Schritt ins Böse. Reizen tut mich das Böse nicht. Es ist dieser doch kleine Schritt, den Menschen machen, um zu Mördern zu werden, ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen – diese tiefe Tragik fasziniert mich.
GOLDENE KAMERA TV-Tipp, weil…
Der „Tatort: Der Reiz des Bösen“ zeigt sehr viel Widersprüchliches, z. B. bei den Charakteren (Rolle Jütte) und beleuchtet die Problematik der Vorverurteilung. Zudem spielt er sehr geschickt mit den Gefühlen und Erwartungen der Zuschauer.
Manchmal möchte man hier an das Gute im Menschen glauben und dann, wenn beispielsweise ein Kind geschlagen wird, erschaudert man plötzlich vor der Bösartigkeit der Protagonisten. Diese gegensätzlichen Gefühle, die der Krimi hervorzurufen vermag, und auch die Auflösung des Falls – lange Zeit wiegt man sich in Sicherheit, den Täter zu kennen – machen diesen Fall so außergewöhnlich und sehenswert.