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Die Komödie „Die Unschuldsvermutung“ zeigt MeToo in der Oper

Die Komödie „Die Unschuldsvermutung“ zeigt MeToo in der Oper

Festspielpräsidentin Hedi Gebetsroither (Michou Friesz) und Festspielintendant Christoph Winterblum (August Zirner) gehen bei der Pressekonferenz souverän darüber hinweg, dass ihre Stars, Maestro Atterson (Ulrich Tukur) und Opernregisseurin Beate Zierau (Catrin Striebeck) einander nicht grün sind., Autor und Regisseur Michael Sturminger im Großen Festspielhaus in Salzburg., Bühnenmeister Schani Karas (Robert Stadlober) bemüht sich um die Nachwuchsdirigentin Karina (Laura de Boer)., Marius Atterson (Ulrich Tukur) ahnt nicht, dass Franziska Fink (Marie Christine Friedrich) mit dem Abendessen in seinem Hotelzimmer besondere Pläne verbindet.,
Festspielpräsidentin Hedi Gebetsroither (Michou Friesz) und Festspielintendant Christoph Winterblum (August Zirner) gehen bei der Pressekonferenz souverän darüber hinweg, dass ihre Stars, Maestro Atterson (Ulrich Tukur) und Opernregisseurin Beate Zierau (Catrin Striebeck) einander nicht grün sind., Autor und Regisseur Michael Sturminger im Großen Festspielhaus in Salzburg., Bühnenmeister Schani Karas (Robert Stadlober) bemüht sich um die Nachwuchsdirigentin Karina (Laura de Boer)., Marius Atterson (Ulrich Tukur) ahnt nicht, dass Franziska Fink (Marie Christine Friedrich) mit dem Abendessen in seinem Hotelzimmer besondere Pläne verbindet., Credit: Foto: © SWR/ORF/David Steinbach
MeToo in der Oper und das als Komödie? „Die Unschuldsvermutung“ schafft es, dank großartiger Schauspieler wie Ulrich Tukur, Machtüberschreitungen leicht zu erzählen.

Ein Opernregisseur, der seine Dirigentin würgt. So drastisch beginnt die Komödie „Die Unschuldsvermutung“ (Mittwoch, 8. September, 20.15 Uhr im Ersten). Und was danach kommt, wird auch nicht besser: Selbstverliebte Künstler, die nur ihre eigenen Interessen im Fokus haben und dabei über Leichen gehen. Der fiktive Blick hinter die Festspiele in Salzburg ist amüsant und übertrieben, hat aber in Anbetracht der vielen sadistischen Narzissten, die ihre Machtpositionen ausnutzen, einen bitteren Beigeschmack.

Darum geht’s in „Die Unschuldsvermutung“

Die Festspiele in Salzburg: Nachdem Bühnenmeister Schani Karas (Robert Stadlober) sich in die Proben des „Don Giovanni“ eingemischt hat, rastet Regisseur David Roth (Simon Schwarz) völlig aus. Er geht auf die Dirigentenschülerin Karina Samus (Laura de Boer) los und ist somit für die Leiter der Festspiele, Hedi Gebetsroither (Michou Frisz) und Christoph Winterblum (August Zirner), nicht mehr tragbar. Ersatz muss gefunden werden. Doch so kurzfristig ist kein angesehener Regisseur frei. Gebetsroither schlägt die international anerkannte, aber menschlich sehr schwierige Regisseurin Beate Zierau (Catrin Striebeck) vor. Doch Winterblum lehnt diese zunächst ab. Schließlich war Zierau mit ihrem Stardirigenten Maestro Atterson (Ulrich Tukur, GOLDENE KAMAERA 1996 und 2011) verheiratet und die beiden sind sich seit der Scheidung spinnefeind.

Atterson ist ein selbstverliebter Egoist, der seine Machtposition unerschütterlich ausnutzt und bei der Verführung von Frauen über Grenzen geht. Dies möchte auch die Journalistin Franziska Fink (Marie Christine Friedrich) beweisen. Als zudem Zierau doch noch engagiert wird, fangen die Probleme an der Oper erst so richtig an.

Hintergrund: Interview mit Autor und Regisseur Michael Sturminger

ARD: Herr Sturminger, Sie inszenieren ja selbst Schauspiel und Oper bei den Festspielen, hat es fürs Drehbuch viel Selbstironie gebraucht? Oder gab es bestimmte Erlebnisse, die nach komödiantischer Verarbeitung gerufen haben?

Michael Sturminger: Ich hoffe, dass dieser Einblick in die Welt der Oper den Zusehern Freude macht. Selbstironie ist beim Schreiben einer Komödie sicher die wichtigste Voraussetzung, über wen kann man denn besser lachen, als über sich selbst. Selbstverständlich liegen hinter vielen Details aus dem Drehbuch Erfahrungen aus dem echten Theaterleben, doch war es mir ein Anliegen, den Film mit Leichtigkeit zu erzählen.

Inszeniert wird »Don Giovanni«. Sehen Sie Marius Atterson als eine
Erscheinungsform dieser Figur? Was macht das Don-Giovannihafte an ihm aus? Und fehlt einem wie Atterson das Bewusstsein davon, wie er mit anderen umgeht?

Natürlich spielt das Drehbuch mit dem Bild des Maestro vor der Folie der Figur des Don Giovanni. Er ist begabt, charmant und faszinierend, auch weil sein Selbstbewusstsein ihm offenbar erlaubt, sich gleichzeitig völlig unmöglich und trotzdem irgendwie noch sympathisch zu benehmen. Doch völlig skrupellos überschreitet er diese Schwelle früher oder später auch, weil er ausschließlich an seinem eigenen Erfolg interessiert ist.

Gibt es eine Chance, dass MeToo Geschichte wird?

Ich bin da sehr optimistisch. MeToo hat die Welt schon verändert, das Selbstbewusstsein der Frauen und ihre Solidarität ist gewachsen und kein mächtiger alter Mann kann sich heute so benehmen, wie das viele vor zwanzig Jahren noch völlig offen getan haben. Das ist auch der Grund, warum man heute eine Komödie zu diesem Thema machen kann. Dass 2020 wirklich zum ersten Mal eine Frau bei den Salzburger Festspielen eine Oper dirigiert hat, ist ein Anachronismus, über den man nur lachen kann. In zehn Jahren sieht das sicher ganz anders aus.

GOLDENE KAMERA TV-Tipp, weil…

Dieser Film ist schräg! Da sind all diese großartigen Schauspieler, die sich in ihren Rollen um den mächtigen, abstoßenden Maestro scharen. Zwar macht es Spaß, den völlig überzogenen Charakteren bei ihren Aussetzern zu beobachten. Trotzdem steckt in jedem Spaß natürlich etwas Ernstes – Und ein übergriffiger Chef ist natürlich alles andere als spaßig. Wie kann es also sein, dass die grenzüberschreitenden Machtdarbietungen einen gleichzeitig abstoßen und trotzdem schmunzeln lassen? Dieser Wiederspruch gelingt nur dank des überzeugenden Spiels von Ulrich Tukur, der charmant und abstoßend zugleich aufritt.

Immer wieder fragt man sich: Wieviel ist hier Karikatur und wie exzentrisch sind Künstler wirklich?

Insgesamt ist dies also eine kurzweilige, überdrehte, vielleicht auch etwas alberne Komödie, die Machtmenschen ordentlich aufs Korn nimmt.