Stille Nacht, Unglücksnacht: Bei Familie Schöllack steht Heiligabend unter keinem guten Stern. Zuerst verschmort der Weihnachtsbraten, dann fällt der Tannenbaum um – und als wären diese kleinen „Katastrophen“ nicht genug, folgt auch noch eine große: „Mutti“ Caterina (Claudia Michelsen, GOLDENE KAMERA 2013) läuft gleich zu Beginn von „Ku’damm 63“ vor einen fahrenden Bus. Nach „Ku’damm 56“ und „59“ ist die beliebte Filmfamilie mit ihrer Tanzschule Galant jetzt also in den 60er-Jahren angekommen. Ihre Probleme reißen auch im neuen Jahrzehnt nicht ab. Sie wandeln sich nur, genau wie die Zeiten.
Darum geht’s in „Ku’damm 63“
Nach ihrem Unfall auf dem Kurfürstendamm liegt Caterina Schöllack im Krankenhaus. In ihrer Not überträgt sie der vermeintlich braven Tochter Helga (GOLDENE KAMERA-Preisträgerin 2015 Maria Ehrich) vorübergehend die Verantwortung für die Tanzschule – und muss bald schon erkennen, dass sie wohl ein falsches Bild von ihr hatte. Als sich ein neuer argentinischer Tanzlehrer (Giovanni Funiati) vorstellt, entflammt Helgas seit Jahren unterdrückte Erotik, und sie bricht aus der freudlosen Ehe mit ihrem schwulen Gatten Wolfgang (August Wittgenstein) aus.
Helga ist nicht die einzige Tochter, bei der nicht alles nach Muttis Wünschen läuft: Die rebellische Monika (Sonja Gerhardt) führt weiterhin kein Leben, „wie es sich gehört“, und Eva (Emilia Schüle, GOLDENE KAMERA 2014) lässt sich von Prof. Fassbender (Heino Ferch, GOLDENE KAMERA 2002) scheiden.
Hintergrund
Reichlich neue Turbulenzen also für die Protagonistinnen der Serie, die 2016 als Überraschungserfolg startete und 2018 mit der zweiten Staffel im Schnitt 5,46 Millionen Zuschauer begeisterte. Damit das auch mit Staffel drei gelingt, zeigen die Macher die Schöllack-Schwestern jetzt als erwachsene Frauen vor einem spannenden zeitgeschichtlichen Hintergrund.
„Nach der Wirtschaftswunderzeit und dem Beginn des Rock ’n’ Roll in der ersten sowie der Beschäftigung mit der Filmindustrie in der zweiten Staffel reflektieren wir diesmal die progressiven sowie reaktionären Kräfte. Das einheitliche Bild der Gesellschaft der 50er-Jahre brach in den 60ern immer mehr auf“, so Autor Marc Terjung zu GOLDENE KAMERA. Ereignisse wie der Besuch von US-Präsident John F. Kennedy („Ich bin ein Berliner“) prägen den Wandel des Lebens im isolierten Westberlin, der auch in der Musik Ausdruck findet. Marc Terjung: „Die Musik spiegelt das neue Lebensgefühl – und natürlich die Swinging Sixties. Damals spürten die Berliner eine große Aufbruchstimmung, während sie gleichzeitig das Gefühl hatten, in einer eingemauerten Stadt zu leben.“ Im übertragenen Sinn als eingemauert mussten sich weiterhin Frauen wie die vier Schöllacks fühlen, ihre Rolle in der Gesellschaft war vom Wandel noch unberührt.
In den frühen 60ern, so Claudia Michelsen zu GOLDENE KAMERA, sei das Leben für Frauen immer noch nicht lockerer geworden: „Sie waren in keiner Weise freie Wesen, die sich selbstständig in der Gesellschaft bewegen durften. Den härtesten „Umweg zu sich selbst“, wie Autor Marc Terjung es formuliert, muss Eva Schöllack gehen. „Meine Figur steht vor einem spannenden Wandel, weil sie in ganz besonderem Maß ein Opfer ihrer Zeit ist“, erklärt Emilia Schüle. „In der neuen Staffel wird klar, dass das Leben für eine geschiedene Frau damals nicht lebenswert war.“ Vieles spricht dafür, dass die Zuschauer das Schicksal der Schöllacks auch weiterhin verfolgen können, Autor Terjung hat bereits Ideen: „1963 gab es schon erste Anzeichen für die Studentenrevolte von 1968, beispielsweise Proteste an der Freien Universität gegen den AStA-Vorsitzenden Eberhard Diepgen. Das nächste ‚Ku’damm‘-Kapitel wäre sicher 1967 bis 1968!“